Kleine Schnipsel (*)
Evalie Wagner schöpft aus dem Vollen ihrer persönlichen Alltagswelt.
Direkt zum *Update 2023
„Eigentlich arbeite ich an allem - und überall gleichzeitig," sagt sie und deutet auf den großen Tisch im Grazer RONDO-Atelier, auf dem sie ihre Werkstücke und Ideen in unterschiedlichen Stadien nebeneinander ausgebreitet hat. Und geht von einem Stück zum nächsten. Von einer Geschichte, einem Eindruck, einem Schnipsel, das gerade verwertet wird. Und weil der Tisch ihrer Meinung nach noch viel größer hätte sein können, wuchern die Dinge auch auf dem Boden und an der Wand weiter. Wen wundert's, ist Evalie Wagner doch eine passionierte Sammlerin. Interessante Bildmotive aus Zeitungen und Zeitschriften, Songzeilen oder Plattencovers wandern stets in ihren wohlsortierten Fundus: Irgendein bestimmtes Moment lässt sie aus der Flut des Gesehenen hervorspringen. Und so werden sie sorgfältig zwischen Zeichenpapier protokolliert und präpariert, in Skizzenbüchern und Sammelordnern verwaltet, oft mit kleinen Kugelschreibernotizen versehen, ehe sie einmal hier auf der Ausführungsstrecke landen.
Meist sind es Natur- und Tierdarstellungen, aber auch klischeebesetzte Frauen- und Fernwehbilder, die ihr als Anstöße dienen. Wie jene Urlaubsleporellos mit den schönen, bunten Fotos, die schon der Großvater gern gesammelt hat. Nach und nach dechiffriert und kombiniert sie diese gefundenen Fragmente in neuen Bezugsfeldern, begegnet Bedeutungsebenen mit bewusst gesetzten Leerstellen, indem sie Inhalte wegkratzt, sich sloganhaft ins Bild einschreibt und so zum Beispiel die urlaubsbedingte Suche nach dem perfekten Ort und dessen Inszenierung zur Disposition stellt.
Ausprobiert hat sie als Künstlerin schon vieles, erzählt Evalie Wagner: Von der textilen Richtung mit Stoffen und Mode ist sie im Studium zur experimentellen Kunst mit Video und Performance gewechselt und schließlich am Ende beim unmittelbaren Handwerk, der Malerei und Illustration, gelandet. Es ist ihr Alltag, den sie collagenhaft umzuarbeiten sucht, eine von persönlichen Vorlieben gefärbte Auswahl, in der nicht zuletzt auch Tradition ihre Rolle spielt, mit der sie in Oberösterreich aufgewachsen ist. Etwa in Form jener überlieferten Muster oder bunten Kopftücher, die man ganz salopp als „Dirndlstoffe" subsummiert. Aus „Dirndln" werden Frauenportraits vom Land: Gemalt auf fein geblümter Leinwand, reflektieren sie das naive Bild einer Märchenwerbewelt. Mit süßen Bambies, wie sie das Leben landläufig eben so mit sich bringt.
Echte Emotionen hält Evalie Wagner als großformatige Köperhaltungen mit zarten Kugelschreiberstrichen fest, sich selbst portraitiert sie dabei „swingend" auf der Discokugel. „Musik war schon immer ein wichtiger Teil meines Lebens" - so werden auf Bilderrückseiten schon mal jene Songtitel vermerkt, die die Arbeit beflügelten oder aber die reale Gitarre als Vergeltung für die nie gewagte Musikerkarriere geteert und gefedert. Umso engagierter widmet sie sich dem visuellen Part der Musik, sie sammelt und analysiert Plattencovers und deren Bildmotivik und versucht diese mittels Übermalungen umzudeuten, oder sie setzt eigene Collagen ins begehrte Quadratformat. Es ist ein Spiel mit Formen und Sujets - und viele Musiker schöpfen wie Evalie Wagner diesbezüglich bevorzugt aus dem Füllhorn der Natur. „It is the marriage of the soul with nature that makes the intellect fruitful, and gives birth to imagination", könnte man an dieser Stelle mit den Worten Henry David Thoreaus ein Motiv illustrieren, das eine nicht minder klischeebesetzte „Zurück zur Natur"-Bewegung sich auf die bedruckten Oberflächen heftet. Eine Sehnsucht, die auch der Titel von Evalie Wagners Diplomarbeit anstimmt: „Die neue Liebe der Natur in der Musik, am Beispiel des Plattencovers". Und der sie in ausgewählten, theatralisch gefärbten Landschaftsquadraten ganz bewusst mit weißen Flecken begegnet.
Eva Pichler
Mai 2011
*Update 2023: In der Kunstwelt fest verankert
Evalie Wagner hat sich in der Kunstwelt fest verankert. Ihre Werke, die sich zwischen Poesie, Floristik, Mythologie, Handwerk und Design bewegen, sind in öffentlichen Sammlungen (u. a. Artothek des Bundes, Kunstsammlung Stadt Graz und Land Oberösterreich) zu finden und in privatem Besitz.
Stipendien führten sie nach Gmunden, Linz, Graz, Wien und Rom. Gemeinsam mit dem Fotografen David Schermann gestaltete sie eine Fotoserie für die Ausstellung Pairi Daeza in der Galerie Rudolf Leeb, Wien und die Serie Avantgarden im Botinischen Garten München. Im Rahmen des Flower Power Muc Festivals 2023 respondierte ihre Installation "Miro Modo" auf die Blüte der Riesenseerosen im Botanischen Garten München-Nymphenburg.
Während ihrer Residency in der Villa Lena Art Foundation 2021 entwarf sie eine Vase (Nient'altro che fiori), für die sie sich von dortigen Wildblumen inspirieren ließ. Die 16-teilige Collagenserie "Ovids Garden" ist eine Hommage an die Gedichte des römischen Poeten und entstand während ihres Aufenthalts im Gastatelier des Landes Oberösterreich in Paliano bei Rom, und 2021 in der Villa Lena Art Foundation in Palaia bei Florenz. Die Bilder zeigen motivische Fragmente aus verschiedenen Kontexten und verblenden geschickt die Gegenwart mit der antiken Mythologie.
Lydia Bißmann
Dezember 2023
Liste der Ausstellungen und Preise seit 2011 (Auszug)
Einzelausstellungen (Auszug)
2024
- Herbolarium / Hofgarten Ansbach / Ansbach, DE
2023
- miro modo / Botanical Garden München-Nymphenburg / München, DE
- Che sarà sarà - Wildnis & Brache / Kulturbrücke Fratres / Fratres, AT
2022
- Avantgarden / Botanical Garden München-Nymphenburg /München, DE
- Creative Botanical Retreat / Villa Lena Art Foundation / Toiano, IT
2021
- Villa Lena Art Foundation / Villa Lena / Toiano, IT
- Pairi Daeza / Galerie Rudolf Leeb / Wien, AT
- Avantgarden / Botanical Garden of the University of Wien / Wien, AT
2019
- jardin perdu / Bildraum 1 / Wien, AT
- Printemps / Gudshapes Atelier / Wien, AT
2018
- No lights, but the stars. / M77 / Wien, AT
- No soy de aqui, ni soy de alla / La Vitrina / Wien, AT
2017
- Oh, Yonder! / Gustav / Vaduz, LIE
- Evalie Wagner X Tozd / Tozd / Ljubljana, SLO
2016
- Celeste / Anukoo Pop-Up Gallery / Wien, AT
- Azur Azur / Glockenturm am Schlossberg / Graz, AT
2015
- Lapis lazuli / Anukoo Pop Up Gallery / Wien, AT
- Wild Yonder - Malerei am Brillantengrund / Hotel am Brillantengrund / Wien, AT
2014
- The Inner Forest / Grüne Galerie 7 / Wien, AT
2013
- Come Outside / Anukoo / Wien, AT
2012
- Adventures in the frontyard / Galerie Hinterland / Wien, AT
- Manchmal sehe ich am Himmel / Anukoo / Wien, AT
2011
- The circus is back in town / Hypercubus - DesignMonat / Graz, AT
Gruppenausstellungen (Auszug)
2024
- Gravity & Growth - Erdanziehungen / Alpengarten / Salzkammergut 2024 / Bad Aussee, AT
2023
- Stranger than paradise / Museumspavillon Mirabellgarten / Salzburg
- Points of return / The Umbrella Art Center / Concord, Massachusetts, US
2022
- Visual Investigations / Villa Arnica / Lana, IT
- Pairi daeza - Kunst hilft - Ukraine charity / Galerie Rudolf Leeb / Wien, AT
2021
- Revue / 170 Jahre - 170 Werke /Oberösterreichischer Kunstverein / Linz, AT
- Parallel Wien Editions / Galerie Rudolf Leeb / Wien, AT
2020
- Jeunes pousses / Quand les fleurs nuos sauvent / Paris, FR
- Naturphilia - Schloss Hollenegg for Design / Wien Design Week / Wien, AT
- Sommerausstellung / Schlossmuseum / Linz, AT
- Open Studio / Atelierhaus Salzamt / Linz, AT
2019
- Beziehungsweisen / Studiogalerie der OÖ. Kunstsammlung / Linz, AT (& Hannah Winkelbauer)
- Spring Brunch / VIU Eyewear / Wien, AT
- Bürobotanik / Short Time Galerie - Alte Akademie / München, DE
2018
- Lo Trovi In Giardino / Die Moserei / Scharnstein, AT
- Jardin perdu / Spazi Aperti - Accademia di Romania / Rome, IT
2017
- ... und finden immer nur Dinge / OÖ. Kunstverein / Linz, AT
- Creadores / Municipal Exhibition Hall of Las Francesas / Valladolid, ES
2016
- Kunstpreis 2016 - Lentos Freunde / Lentos Auditorium / Linz, AT
- still lives / Stadtgalerie Vöcklabruck - Lebzelterhaus / Vöcklabruck, AT
2015
- Kunstpool II / short time Galerie / München, DE
- The City and Me - CreArt Exhibition / Museo d´Arte Contemporanea di Villa Groce / Genoa, IT
- The City and Me - CreArt Exhibition /Art Space Nov / Pardubice, CZ
- Animal Farm / Deutschvilla / Strobl am Wolfgangsee, AT
2014
- UAMO Festival Exhibition / UAMO - International Festival for contemporary art / München, DE
- We are not (only) sisi / Vondelbunker / Amsterdam, NL
- ZOOart / Giardini di fresia / Cuneo, IT
- The USB - Shuffle - Show (Two) / Institut für alles Mögliche / Berlin, DE
2013
- Artificial Limbs / Young Artists Biennial Mediterranea 16 / Ancona, IT
- Halkyonische Tage / Martin Luther Kirche / Linz, AT
2012
- That´s New // Neuankäufe der Kunstsammlung des Landes Oberösterreich // Linz, AT
- Mamihlapinatapai / Artspace Pratersauna / Wien, AT
- Poolbar Festival Art Award / Altes Hallenbad / Feldkirch, AT
2011
- Temporary view / Artist in Residence Presentation Rondo / Graz, AT
- Komm mein Mädchen in die Berge / Europe Day - Alte Universität / Graz, AT
Preise (Auszug)
- 2023 Stipendium des Landes Oberösterreich für Stranger than paradise, Museumspavillon Salzburg, Österreich
- 2022 Otto-Mauer-Förderung für Topia Utopia, Stadtpfarrkirche Urfahr, Linz, Österreich
- 2021 LinzEXPOrt-Stipendium für Avantgarden im Botanischen Garten, München
- 2020 Margret-Bilger-Stipendium des Landes Oberösterreich
- 2019 Stipendium des Landes Oberösterreich für Jardin perdu, Wien
- 2016 Stipendium des Landes Oberösterreich für AZUR AZUR, Graz
- 2014 Stipendium des Landes Oberösterreich ZOOart, Cuneo
- 2013 BMUKK-Projektstipendium für Young Artist Biennial: Mediterranea 16, Ancona
- 2012 Poolbar Art Award together with Teresa Fellinger for the Project Mamihlapinatapai