Die Balladen der Susanna Wahl
Susanna Wahl
Wenn man in einem Ort namens Espoo in Finnland geboren wird, erscheint es nicht gerade selbstverständlich, dass man später mal eine internationale Musikerkarriere einschlagen wird. Vermuten lassen sich eher Assoziationen zu langen Winter- oder Mittsommerabenden, einer gehörigen Portion Tristesse und dem einen oder anderen Glas Alkohol.
Susanna Wahl, 1982 in diesem Vorort von Helsinki geboren, räumt mit diesem (offensichtlich zugegebenermaßen vorschnellen) Vorurteil aber rasch auf: „Als Kind habe ich noch klassisch mit Klavier und Geige angefangen, nach der obligaten Beatles-Euphorie als Teenager habe ich aber bald nach neuen Geräuschen gesucht und diese mit Unterstützung meiner Eltern auch gefunden." Nach der Fachhochschule für Musikpädagogik in Helsinki zog es sie jedenfalls weg von der heimischen Gemütlichkeit in die europäische Weite.
Ganz genau kann sie nicht sagen, warum sie in Graz gelandet ist, jedenfalls fand sie sich hier wieder, ohne irgendjemanden zu kennen. „Ich habe das als einen spannenden Lebensabschnitt aufgefasst und konnte auch durch mein Jazzgesangsstudium an der KUG bald erste Kontakte knüpfen." Da sie aber von Anfang an weniger dem straight-ahead Bar-Jazz zugetan war, waren die ersten Schritte nicht gerade einfach. In der Cocktailbar Hemingway bekam sie dennoch die Möglichkeit, ihre ersten eigenen Songs darzubieten, was von Anfang an erstaunlich gut funktionierte. „Obwohl es mir nie leicht gefallen ist, eigene Stücke zu komponieren. Die Idee und Melodie ist oft mal schnell da, aber bei den Texten hadere ich oft elendslang. Mir ist der Text einfach unheimlich wichtig!", sagt Wahl mit ernstem Ausdruck. „Beim Text geht es um die message, das sind intime Dinge, da tue ich mir nicht so leicht".
Überraschend leicht tut sie sich aber beim Aufzählen ihrer Vorbilder. „Eigentlich habe ich nur ganz wenige, aber wenn ich jemand nennen soll, dann ist es ganz klar Michael Jackson. Alles, was er phrasiert, kommt vom Jazz. Er bringt Musik zum Explodieren!", sagt Wahl und setzt sofort nach: „Ich bezeichne mich ja auch nicht als reine Jazz-Sängerin. Stevie Wonder etwa oder Aretha Franklin haben auch fantastische Musik gemacht und sind keine Jazzer. Carmen McRae hatte nicht die schönste Stimme, aber sie erzählt die wundervollsten Geschichten, das ist für mich wichtig".
Überhaupt ist sie selbst offen für die verschiedensten Stile: „Wir, die wir auf der Bühne stehen, sind im Grunde alle Entertainer. Wir müssen die Leute mitnehmen auf unsere Reise, und wir wollen Spaß haben und diesen Spaß auch vermitteln. Es hat keinen Sinn, wenn Jazzmusiker nur für Jazzmusiker spielen!" Und dann sagt sie, verschmitzt lächelnd, einen Satz, der es in sich hat: „Man muss Musik nicht verstehen, um sie zu genießen."
Susanna Wahl ist nun seit 3 Jahren in Graz und fühlt sich wohl hier, sie unterrichtet freischaffend als Musikpädagogin und tourt mit ihrer eigenen Band in Österreich und Finnland. Wobei sie den Unterschied zwischen Österreich und Finnland wie folgt kommentiert: "Hier ist einiges viel lockerer. Die Leute gehen gerne mal auf einen Kaffee und tratschen. In Finnland ist alles viel tougher, die Fröhlichkeit fehlt manchmal." Das erklärt vielleicht, warum Wahl viel lieber Balladen singt als fröhliche Lieder. „Nicht, dass ich ein trauriger Mensch wäre, aber es ist für mich einfach schwierig, ein fröhliches Lied zu schreiben", sagt sie. Und lächelt dabei.
Christian Salentinig, April 2009