Wie ein Sommerregen im Fünf-Sterne-Club
Die junge Grazer Nujazz-Formation „Tuesday Microgrooves“ erobert via Bildschirm die Welt der Luxuxhotels
„Für mich muss Musik - egal welcher Musikrichtung - so klingen, dass sie meine Aufmerksamkeit fesselt und mich von allen anderen Tätigkeiten abhält", sagt Wolfgang Radl, seines Zeichens Komponist, Bassist und „Kapitän" der 2008 gegründeten Grazer Nujazz-Formation „Tuesday Microgrooves". Im Mai 2011 erschien mit „Spring Kisses Summer Rain" die erste CD des Trios mit Wolfgang Radl am Bass, Jenö Lörincz am Piano und Norbert Wallner am Schlagzeug. Die Sängerin Farina Miss steuerte Stimme und Texte auf acht der 13 Stücke des Albums bei. „Spring Kisses Summer Rain" orientiert sich am skandinavischen Jazz: Mit seinen eingängigen Melodielinien, smarten Arrangements und dem audiophilen Sound ist das Album zu 100 % Club- und Lounge-tauglich.
Aufgenommen wurde „Spring Kisses Summer Rain" in den Kölner „Studios 301", wo schon Weltstars wie Pink, Robbie Williams oder Erykah Badu manchen ihrer Aufnahmen den entscheidenden Schliff geben ließen. Dass Tuesday Microgrooves ihre CD dort einspielen konnten, haben sie dem Grazer Studiobesitzer Peter Stodulka zu verdanken, der einen ihrer Songs zum „Helix Board"-Wettbewerb des Mischpultherstellers Phonic einschickte. Der Song gewann den Hauptpreis: drei Studiotage in Köln. Das war 2008, und die Band hatte für ihre Debüt-CD bald einen unterschriftsreifen Vertrag bei EMI Deutschland in der Hand. Doch nach der Fast-Pleite des EMI-Konzerns im Frühjahr 2010 zerschlugen sich die Hoffnungen auf das große Ding, und es dauerte bis zum Frühjahr 2011, bis „Spring Kisses Summer Rain" erscheinen konnte - direkt im Vertrieb des „Studios 301"-Bosses Ulli Pallemanns, der auch dafür sorgte, dass ausgewählte Nummern in den Katalog von Atmosphere Media aufgenommen wurden. Atmosphere Media ist eine in Deutschland entwickelte, innovative Technologie, wo Filme bzw. Musik-Clips auf 4 HD-Monitore gesplittet werden, die je ein anderes Bild zeigen, aber synchron laufen (Multichannel). So kann man je einem Musiker eines Quartetts auf einem der Bildschirme bei der Arbeit zusehen, was in der Zusammenschau sehr nahe an eine Live-Performance herankommt. Wovon man sich in der „Video"-Section der Band-Homepage ein Bild machen kann. Abnehmer von Atmosphere Media sind Luxushotels sowie gehobene Bars und Clubs auf der ganzen Welt. Aber auch bei der Pokalfeier des DFB 2011 in Gelesenkirchen wurden die Musikclips des Entertainment-Unternehmens gezeigt. „Tuesday Microgrooves" ist übrigens die einzige österreichische Band im Content-Pool von Atmosphere Media.
Die Formation rund um den 1974 in Fürstenfeld geborenen Bassisten Wolfgang Radl hat zwar ihre Homebase in Graz, ist aber vom musikalischen Ansatz und auch vom Output her absolut international orientiert. Das Instrumentaltrio plus Gastsängerin macht im Unterschied zu vielen anderen Jazzbands aus seinen musikalischen Vorbildern keinen Hehl. Und so ist die Musik von Tuesday Microgrooves nach eigenem Bekunden auf der einen Seite irgendwo zwischen dem Esbjœrn Svensson Trio und Medeski, Martin and Wood angesiedelt und auf der anderen Seite bei populären französischen Meistern der Klassik um 1900 wie Erik Satie und Claude Debussy. Der Rest ist Drum and Bass und ein Schuss Funk and Soul. Insgesamt ein weites Feld, das sich da in der hörerfreundlichen Himmelsrichtung des Jazz aufspannt. Ein Säulenheiliger des Pop spielt auch noch herein: Peter Gabriel, dessen Song „Mercy Street" bereits für eine DVD des deutschen Recording Magazins gecovert wurde. Eine Kopie der Coverversion ist über Mittelsmänner auf dem Weg zu Gabriel selbst. „Allein die Tatsache, dass der Meister drei Minuten seiner Lebenszeit unserer Version seines Songs zuhört, ist für mich ein riesen Ding", freut sich Wolfgang Radl.
Die nächsten Stationen der Band sind wiederum Köln, wo bereits das nächste Studioalbum in Arbeit ist. Diesmal wird die in Graz ausgebildete deutsche Jazzsängerin Lena Mentschel die Vocals bei Tuesday Microgrooves übernehmen. Außerdem steht ein 55-Minuten-Stück für Jazztrio und Streichquartett auf dem Plan, das Atmosphere Media für eine multimediales Ambient-Projekt in Ibiza in Auftrag gegeben hat. Gut möglich auch, dass sich die Kontakte nach Shanghai und Taiwan, die Radl während der Taiwan-Tournee 2010 mit dem Grazer Salonorchester knüpfen konnte, zu Auftritten verdichten. Schließlich gibt es in den Metropolen des Ostens genügend exquisite Clubs und Lounges, in denen sich die Musik der Tuesday Microgrooves ziemlich gut machen würde.
Homepage: www.tuesdaymicrogrooves.com
Werner Schandor
Juli 2011