Offszene-Profis
Bei Theater t’eig lassen sich einige der interessantesten steirischen Theaterleute auf das Risiko ein, das Freiraum mit sich bringt.
Karin Gschiel und Thomas Sobotka sind ein typisches Theaterpaar. Könnte man sagen. Zumindest hinsichtlich der Rollenverteilung: Sie Schauspielerin, er Regisseur. Sie Theaterpädagogin, er freischaffender Theaterkünstler. 2008 haben die zwei, die auch privat ein Paar bilden, gemeinsam das Theater t'eig ins Leben gerufen. Und inzwischen hat sich dieses zu einem der spannendsten Ensembles der Stadt entwickelt. Nicht zuletzt auch durch die ständige Mitarbeit mehrer bekannter Grazer Theatergesichter. Da ist einmal Christian Ruck, diplomierter Schauspieler, Landesspielberater und zuvor 17 Jahre lang beim theatermërz, da ist Markus Boxler, der als Ausstatter immer wieder auch am Schauspielhaus arbeitet („Fräulein Else", „Effi Briest", „wohnen. unter glas"), und da ist Alexandra Rollett, die unter anderem am Linzer Theater Phönix oder bei Ernst M. Binders dramagraz die Dramaturgie innehatte und ständig an spannenden Filmprojekten beteiligt ist (darunter auch Händl Klaus' Debütfilm „März").
Den bislang größten Erfolg hatte Thomas Sobotka allerdings ohne t'eig: „Brick in the wall" ein ausuferndes Schultheaterprojekt, mit dem das gesamte BORG Dreierschützengasse bespielt wurde, erhielt als Produktion des TaO! Theater am Ortweinplatz überraschend den Theaterland-Steiermark-Preis. Sobotka erinnerte die Arbeit mit den frischgebackenen Jungdarstellern an seine eigene „Sozialisierungsproduktion" am Theater im Keller: Theater, das war auch für ihn anfangs der Ort, wo sich einfach alle lieb hatten, wo man seine Freundinnen fand. Als dann noch die erste Honorarnote gestellt werden durfte, schien die Sache überhaupt perfekt.
Inzwischen ist Sobotka, der unter Matthias Fontheim drei Jahre lang als Regieassistent am Schauspielhaus gearbeitet hat („Theoretisch reicht ein Jahr Assistenz, aber als mir das bewusst geworden ist, habe ich schon den 3-Jahres-Vertrag gehabt.") mit t'eig in der Realität der freien Theaterwelt angekommen: „Wir haben jetzt 6 Tage vor der Premiere noch nicht alle Zusagen, was die Budgethöhe betrifft." Und bei den Mühen der Ebene: „Die Administration ist natürlich das Hinkebein, da wünsche ich mir doch eine Institution wie das Stadttheater zurück, wo ich mich ganz auf die eigentliche Arbeit konzentrieren kann." Trotzdem. Die Arbeit mit t'eig ist für Sobotka der Luxus des größtmöglichen Freiraums. „Bei anderen Projekten bin ich als Regisseur eingekauft. Da geht es noch mehr um Ergebnisse, darum einfach auch einen guten Job zu machen." Freiraum bedeutet folgerichtig auch Risiko. Wie etwa bei der in einen hollywoodtauglichen Groschenromanstoff übersetzten Orestie „Remember tserO", die t'eig in der legendären 80er-Jahre-Diskothek SKA zur Aufführung bringt: „Wir riskieren mit dieser Produktion sehr viel, weil wir damit auch total abstinken können. Aber zugleich will ich nicht schon von vornherein sagen, das Scheitern sei Prinzip. Das ist, finde ich, das Feigste überhaupt." Mit der Vorgängerproduktion „Ledergfrieß - unplugged", einer Bearbeitung des Helmut Krausser-Stücks „Lederfresse" war t'eig auch für den Theaterland-Steiermark-Preis nominiert. Beides sind, wie „Brick in the wall", Arbeiten, die auf subtilen Pfaden das Unheimliche umkreisen und eine beeindruckende Portion dramatischer Feinarbeit hinter der trashverliebten Fassade verstecken. Eine t'eig-Spezialität? Vielleicht. Aber Karin Gschiel und Thomas Sobotka sind - samt Konsorten - zu vielseitig und auch zu neugierig, um hier stehen zu bleiben. Sobotka: „Das nächste, was mich interessiert, ist Robert Wilson."
Hermann Götz, Dezember 2009