Schauen und miterleben, welche Kräfte am Werk sind (*)
Daniel Hafner, Medienkünstler
Im Sommer des Jahres 2006 machte sich der junge Grazer Medienkünstler Daniel Hafner daran, 25 Meter Landstraße, irgendwo auf der Strecke zwischen Feldbach und Mürzzuschlag gelegen, akustisch abzubilden. Die Idee zu dieser Arbeit entstand mit der Vergabe des K.U.L.M.-Stipendiums an den Künstler und der Einladung zur Teilnahme an der Ausstellung „Periphere Strukturen" in der Kunsthalle Feldbach im Rahmen des steirischen herbst.
Die Arbeit sollte aber nicht einfach per Mikrofon, Aufnahmegerät und naheliegender Wiedergabe durch herkömmliche Apparaturen ausgeführt werden. Verfahren und Ergebnis sprechen für die Grundhaltung des Künstlers, der vorausgehenden präzisen Beobachtung eine ebensolche Ausführung als Werk folgen zu lassen.
Also baute er entlang eines 25 Meter langen Gangs in der Kunsthalle Feldbach eine Batterie von Lautsprechern auf, die die festgehaltenen Geräusche aus dem Umkreis des gleich langen Straßenabschnitts wiedergaben. Zu hören waren hauptsächlich Vogelgezwitscher und Grillengezirp, hin und wieder das Geräusch eines vorüberfahrenden Autos. Die Wiedergabe des erstellten Tondokuments lehnte Hafner an Prinzipen serieller Abfolgen von Einzelbildern an, wie sie zur Erstellung von Bewegungssequenzen durch Étienne Jules Marey oder Eadward Muybridge noch zu Ende des 19. Jahrhunderts angewandt wurden, und wie sie im Prinzip immer noch für den Film gelten. Für jeden Lautsprecher entlang der Strecke bearbeitete Hafner ein komplettes, dem Aufstellungsort entsprechendes Soundsample mit Hüllkurve und Dopplereffekt. Der Geschwindigkeit des vorüberfahrenden Autos angepasst, wurde nacheinander jeder Lautsprecher einzeln angesteuert, was in Summe dem wirklichen Verlauf der Geräusche verblüffend nah kam - eine Installation als Hörfilm namens BRRRRMMMMM.
Der 1979 in Deutschlandsberg geborene Daniel Hafner absolvierte die Meisterschule für Kunst und Gestaltung in Graz. Er war - wohl in mehrfachem Sinn - außerordentlicher Schüler von Jörg Schlick, studierte an der Universität für bildende Kunst in Wien bei Peter Kogler und Heimo Zobernig. Auf der Höhe der Zeit, im Wissen um Anwendungsverfahren und die Umsetzung von Ideen mittels verfügbarer Technologie, steht für Hafner die Idee und das Konzept einer neuen Arbeit im Vordergrund, darauf folgen Überlegungen zur formalen und inhaltlichen Umsetzung und zur Adaption eines geeigneten Mediums. Diesem Ansatz entsprechend führt er immer wieder vor, wie Funktionsprinzipien von Apparaten aus dem Bereich der Unterhaltungselektronik unterwandert oder umgewidmet werden, wie Hightech zu Lowtech wird.
Eine Adaption traditioneller Tafelmalerei in Anlehnung an physikalische und chemische Prozesse der Lichtmalerei, an die die man sich heute gerade noch als analoge Fotografie erinnert, gelingt Hafner mit seinen „Regen-Momentaufnahmen": „Ich habe seit meiner Kindheit die Angewohnheit hinauszugehen, wenn sich Regen ankündigt, um mitzuerleben und mitzufühlen, wie sich das Wetter verändert, welche Stimmung herrscht, welche Kräfte am Werk sind." Die Beobachtung verschiedener Konstellationen von Regen führte zur Entwicklung eines geeigneten Abbildungsverfahrens. Bildträger werden, vergleichbar dem Belichtungsvorgang in der Kamera, für wenige Augenblicke dem Regen ausgesetzt. Die spezielle Grundierung dieser Leinwände bewirkt, dass Tropfen nur leicht angesaugt werden und für kurze Zeit ihre Form halten. In einem nächsten Schritt wird eine Mischung aus Pigment und pulverisiertem Bindemittel aufgebracht und nach Trocknung das überschüssige Pulver abgeblasen. Zurück bleiben Markierungen, die je nach Tropfengröße und Regendichte verschiedenartige Punktstrukturen wie in einem All-over ergeben. Die Einzigartigkeit des so festgehaltenen Augenblicks im Bild bezeichnet Daniel Hafner durch Zusatzinformationen meteorologischer Daten, Ort der Aufnahme, Datum, Aufnahmedauer und den für Tafelbilder üblichen Format- und Bildträgerbeschreibung.
Wenzel Mraček,
Dezember 2007
Auch über zehn Jahre später erzählt Hafner, dass seine Faszination am Regen ungebrochen sei. Daher fing er auch während seines Atelier-Auslandsstipendiums des Landes Steiermark in Triest, 2018, Regentropfen ein und hielt sie auf Papier fest. "Für einen Auslandsaufenthalt bietet sich das an, Regentropfen einzufangen, wenn sie vom Himmel fallen." Diese Serie unterschiedlichster Regentropfen von unterschiedlichen Orten setzt er immer weiter fort. Auch als Kunstserie etablierte er seine 2015 in London begonnenen "Mosquito Drawings". Hafner beobachtet dafür männliche Gelsenschwärme, die in einem ganz bestimmten Muster, innerhalb ihres Schwarmturms Auf und Ab fliegen. Hafner konzentrierte sich auf eine Mücke, verfolgte mit seinem Blick deren Flugbahn und zeichnete gleichzeitig diese beobachtete Flugbahn mit Bleistift auf. „Ich durfte meinen Blick nie abwenden, weil sonst war sie weg, die Mücke", erzählt Hafner. Dahinter fragt er sich: „Was ist die eigene Handschrift? Was passiert, wenn man einen Stift in die Hand nimmt?" Mit einer motorischen Bewegung eine lineare Aufzeichnung zu machen sei das eine, doch vielmehr fasziniert Hafner „die abstrakte Konfrontation mit der Physik", von der Vergangenheit über die Gegenwart bis in die Zukunft: „Wenn man mit dem gezeichneten Strich was vorhat, dann kommt die Zukunft dazu."
In den Ausstellungen, die in den vergangenen Jahren von dem Künstler durchgesetzt werden konnten, versucht er speziell unterschiedliche Medien miteinzubeziehen. Dazu bewegt er sich zwischen Installation, Skulptur und Mode bis hin zur Musik, Performance und Klangkunst. Viele dieser Arbeiten drehen sich in irgendeiner Form um das Zeichnen. Dabei sind vor allem Themen wie erlernen der Motorik und kognitive Prozesse frühkindlicher zeichnerischer Erfahrungen von Relevanz.
Meist wird der Künstler von wahrnehmungspsychologischen Phänomenen zu Arbeiten inspiriert. So setzten sich einige seiner Werke mit der Wahrnehmung und Verarbeitung von Bildern auseinander. In seinen Archivserien bilden vor allem naturwissenschaftliche Beobachtungen eine Basis für die Kunstwerke.
Der Medienkünstler versucht ein verspieltes Verhältnis zu seiner bisherigen Arbeit zu sehen. Mit Begriffen wie Stil oder Handschrift kann er dadurch wenig anfangen.
Beständige thematische Begleiter seiner Kunstwerke bleiben unter anderem das Wetter, die Politik, die Menschheit, aber auch Alltagsprobleme oder andere Künstler.
Auszüge seiner Preise und Residencies:
2009: bmukk Austria - Bjcem Association, 14th Biennale of Young Artists, Skopje
2012: KAGES Kunst am Bau, LKH Bad Aussee; bmukk STARTstipendium
2013: Landespreis Steiermark - Ankauf Neue Galerie Graz
2014: K.A.I.R Artist in residence, Košice, Slovakia
2015: bmukk Artist in residence photo-studio, London Wrexham Road
2016: Theodor Körner Preis
2018: Land Steiermark Artist in residence, Triest
Petra Sieder-Grabner
Redaktionelle Mitarbeit: Anja Radauer
Juli 2020